Ich bin am 21.6.2024 zu einer “Balkan-Rundreise” ohne Vorbuchung aufgebrochen, weil mich das Fernweh plagte, meine Frau noch keinen Urlaub hatte und ich testen wollte was davon eventuell einen ausreichenden WAF hat, um es gemeinsam zu vertiefen. Insgesamt sind es ca. 5600 km in acht Tagen mit dem ID.3 pro S geworden. Die angehängte Datei zeigt die Route auf der Karte: Bördekreis - München - Ljubjana - Zagreb - Split - Dubrovnik - Shkodra - Prizsen - Pristina - Skopje - Sofia - Edirne - Istanbul - Edirne - Burgas - Bukarest - Budapest - Bratislava - Prag - Bördekreis.
Die Navigation funktionierte mit der VW-Software 3.2 innerhalb der EU gut. Außerdem stand für die zusätzliche Ladepunktsuche und navigation Google-Maps und ABRP über Android-Auto zur Verfügung. Die nötige Online-Verbindung stellte eine vorher gekaufte Balkan-E-SIM von YESIM mit 5 GB für Daten an Stelle der 20 GB-Otelo-SIM sicher, die ich beim Verlassen der EU aktivierte. Das klappte zunächst nicht, da auch Roaming hätte aktiviert werden müssen, sodass ich die Strecke bis Prismen mit Offline-Navigation mittels OSMAnd problemlos auf einem Tablet auf der Mittelkonsole absolvierte. Die Adresse der Ladepunkte ließen sich dann zunächst nur mittels des WLANs einer Hotel-Lobby ermitteln. Danach lief die Datenverbindung schnell und stabil. Diese Aussage gilt für die gesamte Strecke.
Außer in Albanien waren überall genügend offizielle standardisierte Lademöglichkeiten vorhanden. Es gibt nur kein standardisiertes europäisches einheitliches Bezahlverfahren. Eine unangenehme Überraschung ergab sich dadurch beim Versuch lokale Lade-Apps zu verwenden. Meine Kreditkarte wurde nicht akzeptiert. Vermutlich weil ich kurz vor der Reise auf ein anderes Smartphone umgestiegen bin und eine Hardware-Verdongelung bestand. Da ich unterwegs nicht über die PIN verfügte, konnte das Problem während der Reise nicht gelöst werden. Lademöglichkeiten mit Barzahlungsoption gab es außer bei Shell-Prizsen nicht. Ich musste also improvisieren und habe mit den Apps der vorhandenen Ladekarten von EnBW (ADAC) und Elli (VW) die Route angepasst bzw. in Albanien die Übernachtung an eine Lademöglichkeit geknüpft. Für diesen Fall war eine mobile 11-kW-Ladebox mit 16 A CEE Stecker und Schukoadapter im Gepäck. Über die Auto-Software wurde der Ladestrom so reduziert, dass der albanische Leitungsschutzschalter ruhig blieb, aber auch nur 15 kWh geladen werden konnten, so hätte also auch der Ladeziegel gereicht. Die Säule in Prizsen war mit 22 kW für 50 kWh nötiger Nachladung das Lahmste was ich erleben musste. Sicherheitshalber nahm ich außerhalb der EU alle Lademöglichkeiten mit, die sicherstellten stets über 30 % SoC zu bleiben und lud auch randvoll.
In Edirne sollte am Tesla-Lader geladen werden. Auch das klappte nicht, weil das in Deutschland erfolgreich getestete Laden per SEPA-Mandat mit der Fehlermeldung einer nicht akzeptierten Bezahloption verweigert wurde. Die empfohlene Neueinrichtung der SEPA-Option half auch nichts, weil vermutlich auch eine Hardware-Verdongelung mit dem Handy vorhanden war. Immerhin regierte die Tesla-App im Gegensatz zum Rest mit brauchbaren Fehlermeldungen. Um wie geplant Istanbul erreichen zu können nahm ich wieder die Hilfe von Shell in Anspruch. Die von mir besuchten Stationen wurden von bis zu sechs Personen betrieben, mehrere davon als klassische Tankwarte, die es sich nicht nehmen ließen den Rüssel persönlich einzuführen. Einer dieser freundlichen Mitarbeiter ruhte erst, nachdem er die App auf seinem Gerät eingerichtet hatte, die Ladung funktionierte und ich in bar bezahlen konnte. Ein großes Dankeschön an so engagiertes Personal.
Ein bisher manifester Abbruchfehler beim Laden an Allego- und baugleichen Säulen konnte umgangen werden, nachdem ausländische Säulen dieses Typs eine erklärende Fehlermeldung lieferten. Die Stecker sind offenbar minimal zu klein, um nicht durch die schwere Anschlussleitung so zu kippeln, dass die Verriegelung fehlschlägt. Festhalten des Steckers während der Initialisierung hilft konstant. Ansonsten gab es auf der Tour zwar unwillige Säulen, aber stets eine funktionierende Alternative am gleichen Platz.
Es herrschten Tageshöchstemperaturen über 30 °C, der Akku war also stets optimal temperiert. Messwerte gewann ich über die OBD-Abfrage in ABRP. Höchstwert der Akkutemperatur war 42 °C. Die Ladeleistung erreichte, wenn die Säule es hergab, max. 180 kW. Der Verbrauch lag beim Bummeln und Schauen bzw. auf der Etappe Edirne - Istanbul - Swilengrad mit Tempomat auf der LKW-Spur bei 12 kWh/100km, im Durchschnitte der gesamten Tour bei unter 18 kWh/100km.
Übernachtet habe ich in abwechselnd in Hotels und im Auto. Alleine, mit umgeklppter Rückbank, vorgeschobenem Beifahrersitz, einer Verlängerung durch einen Campingtisch und Türsocken über den halb geöffneten Seitenscheiben konnte ich auf einer Luftmatratze erholsam schlafen. Die Innenraumüberwachung wird durch Doppelklick-Verriegelung deaktiviert und vor dem morgentlichen Türöffnen die Alarmanlage über den Schlüssel deaktiviert.
Maut sollte m.E. so fern möglich im Vorfeld online bezahlt werden. Außer in Ungarn, der Slovakei und Tschechien konnte ich das aber problemlos an Tankstellen nachholen oder direkt an Häuschen per EC-Karte bezahlen. EC-Karten funktionierten überall, wurden aber vor allem von kleinen Geschäften nicht durchgehend akzeptiert.
Nachdem ich Ljubljana und Zagreb in Übereinstimmung mit den Erwartungen besichtigt hatte, enttäuschte das erste Sehnsuchtsziel Dubrovnik durch die Blechlawine, deren Teil ich war und durch die MASSEN an Touristen, ich floh. In Albanien ist eine positive EUphorie spürbar, es ist noch viel zu tun. Die erste Maßnahme sollte m.E. die Einführung eines Plastikflaschenpfandes sein. Der Kososvo überbot das erwartete Bild leicht. Die KFOR ist selbst bei einem Kurzbesuch sehr sichtbar. Durch das langsame Laden bestand die Möglichkeit zu langen Gesprächen beim Kaffee teilweise auf deutsch. Skopje und Nordmazedonien entsprechen offenbar weitgehend dem Klischee, sehr arm, sehr preiswert, nochmehr als vorher schon. Die Ankunft in der EU nach der bulgarischen Grenze wird also deutlich sichtbar und beim Bezahlen auch spürbar, bleibt aber deutlich hinter hiesigen Verhältnissen. Sofia und eine Freetour mit Ivo empfehle ich uneingeschränkt. Beim Besuch von Istanbul bereute ich ein einziges Mal den Aufenthalt nicht geplant zu haben. Die Stadt ist unbeschreiblich, mit dem Auto Wahnsinn, sehr beindruckend in fast jeder Beziehung, keine Parkplätze, keine Parkhäuser mit freien Stellplätzen. Dahin sollte man mit der Bahn fahren. Bukarest entsprach den Erwartungen, ich erhielt ein Update des letzten Besuchs von 1989. Auch bedingt durch die hohe Temperatur war nun die Sehnsucht nach der Ferne befriedigt und ich machte mich auf den möglichst schnellen Rückweg.
Fazit: Wenn man ein E-Auto mit mindestens ca. 60 kW Akku und eine funktionierende Kreditkarte hat, kann man dass bei ein bischen vorhandenem Humor machen. Die Annährung der Westbalkanländer an die EU wird die Sache in Zukunft vermutlich erleichtern, falls es politisch nicht in die Gegenrichtung geht.